20.06.2025

POLITIK | Rückblick auf die Sommersession 2025

Die drei letzten Wochen debattierten die National- und Ständerät:innen zu einer Vielzahl von Geschäften. Nehmen Sie sich 5 Minuten Zeit für die Rosinen aus dem Bundeshaus, die wir für Sie herausgepickt haben.

Emsig im Hintergrund

Mehrere Volksinitiativen, die Individualbesteuerung, die Stromversorgung oder die Finanzierung der 13. AHV-Rente: Das sind einige der Geschäfte, die während der Sommersession zur Diskussion standen. Und wie eine Erinnerung daran, dass wir uns manchen weit reichenden Herausforderungen gemeinsam stellen müssen, bildete die Verwüstung von Blatten (VS) einen dramatischen Auftakt zur Session. – Das Parlament behandelte auch mehrere Geschäfte mit Anknüpfungspunkten zur Tätigkeit von Dienstleistern für Menschen mit Unterstützungsbedarf. Dossiers, die teilweise eher abseits des Rampenlichts laufen, die jedoch in vielerlei Hinsicht bedeutsame gesellschaftliche Entwicklungen widerspiegeln.


24.070 BRG Bundesgesetz über die Ergänzungsleistungen zur AHV/IV (Leistungen für Hilfe und Betreuung zu Hause). Änderung

Die Notwendigkeit einer Revision des Bundesgesetzes über die Ergänzungsleistungen – die eine Förderung des betreuten Wohnens vorsieht – war sowohl beim National- wie auch beim Ständerat unbestritten. Im Rahmen der parlamentarischen Debatte gelang es den Räten, die Vorlage punktuell weiter zu optimieren: So kann z.B. die Pauschale bei Mischformen des Wohnens anteilsmässig ausbezahlt werden und der Leistungskatalog ist offen formuliert, so dass die Kantone weitere Leistungen aufnehmen können. Bedauerlicherweise fanden die Anliegen, welche die psychosozialen Komponenten im Gesetz verankern sollten, keine Mehrheit in den Räten. Entsprechend wir die Umsetzung auf kantonaler Ebene entscheidend sein, wenn es z.B. um die psychosoziale Ausrichtung der Ergänzungsleistungen geht.


25.3015 und 25.3420 Mo. SiK «Einführung der Sicherheitsdienstpflicht»

Das Parlament will eine Sicherheitsdienstpflicht rasch einführen. Damit müssten Schweizer Männer entweder beim Militär oder beim Katastrophenschutz (bestehend aus dem heutigen Zivildienst und Zivilschutz) Dienst leisten. Es nahm zwei gleichlautende Motionen seiner sicherheitspolitischen Kommissionen an. Der Bundesrat wäre das Thema lieber überlegter angegangen. Er wollte zunächst abklären, wie sich bereits erfolgte Gesetzesänderungen auswirken, die die Bestände von Armee und Zivilschutz erhöhen sollen und den Zivildienst unattraktiver machen wollen. Nur vereinzelte Stimmen fragten, wer künftig die Arbeiten verrichten würde, welche heute Zivis machen – nicht zuletzt bei den Dienstleistern für Menschen mit Unterstützungsbedarf.


22.4505 Mo. Müller-Altermatt «Datenlage zur Umsetzung der Kinderrechte verbessern»

Die Schweiz legt Wert auf die Achtung der Kinderrechte. Doch hapert es bereits bei der Beschaffung der statistischen Grundlagen: Derzeit gleicht die Datenlage einem Flickenteppich. Die aktuelle Fragmentierung der Indikatoren und Erhebungen erschwert das Aufzeigen von Lösungsansätzen beträchtlich. Doch nur auf der Grundlage vergleichbarer Daten können geeignete Massnahmen ergriffen werden. Das wird leider vorerst Zukunftsmusik bleiben: Auf Empfehlung seiner vorberatenden Kommission hat der Ständerat die Motion bachab geschickt und sie in einen Prüfauftrag umgewandelt. Der Nationalrat muss deswegen erneut darüber befinden. In Bundesbern drehen sich die Mühlen manchmal (sehr) langsam.


23.3366 Mo. Bulliard «Nationale Strategie für Betreuung und Wohnen im Alter und bei Behinderung»

Die Motion war ein eigentliches Kondensat aus den gesellschaftlichen Entwicklungen in den letzten Jahren. Im Fokus standen Themen wie Betreuung und Begleitung, Stärkung der Selbstbestimmung bzw. die Aufrechterhaltung von Autonomie und die Anpassung von Unterstützungsleistungen unabhängig von Kriterien wie Alter oder Behinderung. Die Motion regte diese ganzheitliche Betrachtungsweise mit dem Auftrag an den Bundesrat an, eine nationale Strategie unter Einbezug gesundheitlicher und sozialer Aspekte zu erarbeiten. Der Ständerat stemmte sich leider dagegen, damit ist die Motion ist vom Tisch. Bereits vor zwei Jahren hatte die kleine Kammer eine gleichlautende Motion abgelehnt. Damit verpasste es der Ständerat erneut, einen Beitrag für eine zukunftsweisende Strategie für die Betreuung und das Wohnen im Alter und bei Behinderung zu leisten.


25.3013 Mo. SGK-S «Kostenübernahme für Gebärdensprach-Dolmetschleistungen im Gesundheitswesen»

Nach dem Ständerat hat sich nun auch der Nationalrat mit klarer Mehrheit für einheitliche Kriterien bei der Kostenübernahme von Gebärdensprach-Dolmetschleistungen im Gesundheitswesen ausgesprochen. Nur die SVP folgte der ablehnenden Empfehlungen des Bundesrats. Damit darf der Bundesrat nun die Grundsätze für die Tarifsetzung aufstellen und die uneinigen Tarifpartner mit Überzeugungskraft zu einem Einlenken bewegen.


24.3457 Mo. Gredig «Schutzstatus S. Berufliche Integration in Zusammenarbeit mit der Wirtschaft verstärken»

Angesichts des Arbeitskräftemangels in vielen Branchen ist es folgerichtig, das inländische Potenzial besser zu nutzen. Geflüchtete mit Schutzstatus S bringen in vielen Bereichen wertvolle Expertise mit, auch für die Branchen der Föderation. Eine engere Zusammenarbeit zwischen staatlichen Stellen, der Wirtschaft und von Non-Profit-Organisationen kann den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern. Partnerschaftsmodelle mit der Wirtschaft können die berufliche Integration von geflüchteten Menschen mit Schutzstatus S wirkungsvoller und effizienter gestalten. Darüber sind sich alle Parteien bis auf eine einig und stimmen der Motion zu. Nun liegt es am Ständerat, dem Bundesrat den Auftrag zur gezielten Förderung des inländischen Potenzials an Arbeitskräften zu erteilen.


23.4191 Mo. Funiciello «Schutzkonzepte zur Prävention von Missbrauch bei Organisationen, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten» – sowie gleichlautende Motionen Bertschy, Wismer, von Falkenstein, Gysin und (Studer) Gugger

Die Bestrafung der Täter:innen von begangener Gewalt in Betreuungsstrukturen ist wichtig, die Prävention aber unabdingbar. Denn das verursachte Leiden hat oft lebenslange psychische Konsequenzen für die Opfer. Trotzdem hat das Parlament sechs gleichlautende Motionen von Nationalrätinnen unterschiedlicher politischer Couleur verworfen, die die Erstellung von Schutzkonzepten gegen den Missbrauch verlangten. Der Bundesrat hatte die Ablehnung der Motionen empfohlen und seine Haltung mit den «eingeschränkten verfassungsmässigen Befugnissen des Bundes» begründet. Deshalb hatte er für einen Auftrag zur Prüfung von Lösungsansätzen geworben. Der Nationalrat folgte dieser Empfehlung im letzten Herbst nicht und stimmte den Motionen zu. Trotz der schwachen Argumentation des Bundesrats hat sich der Ständerat aber überzeugen lassen und will die Motionen jetzt in Prüfaufträge umwandeln. ARTISET bedauert diesen unnötigen Umweg. Nun muss der Nationalrat noch zu dieser Umwandlung befinden. Immerhin wird dadurch aber die Berechtigung der Einführung von Schutzkonzepten nicht grundsätzlich infrage gestellt. Doch hat das Parlament die Gelegenheit verpasst, eine griffige Massnahme ohne Verzug zu ergreifen: Verbindliche Schutzkonzepte sind sicher kein Patentrezept, dennoch stellen sie einen konkreten Beitrag zur Verhinderung von Missbräuchen dar.


24.4618 Mo. Roduit «Die negativen Anreize der IV in Bezug auf die Beschäftigung beseitigen und das Potenzial für die berufliche Wiedereingliederung ausschöpfen»

IV-Bezüger:innen, die eine Stelle im allgemeinen Arbeitsmarkt antreten, erhalten heute beim Eintreten einer längerdauernden Arbeitsunfähigkeit als Übergangsleistung ihre ursprüngliche IV-Rente für max. drei Jahre zugesichert. Trotz dieser Schutzfrist wird unmittelbar nach Eintreten der Arbeitsunfähigkeit eine Rentenüberprüfung durchgeführt. Das führt bei den Betroffenen zu Unsicherheit und wohl auch zur Zurückhaltung, eine Arbeitsstelle im allgemeinen Arbeitsmarkt anzutreten. Die Motion verlangt, dass die Rentenüberprüfung erst nach Ablauf dieser Schutzfrist vorgenommen wird. Der Nationalrat hat dem Anliegen zugestimmt. Nun ist der Ständerat an der Reihe.


 

Zwei interessante Vorstösse, die noch nicht behandelt wurden:

25.3192 Ip. Lohr «Einbezug der Bereiche Arbeit und Ausbildung bei der "Modernisierung des IFEG" und dem Inklusionsrahmengesetz»

Eher wolkig bis bedeckt äussert sich der Bundesrat zu den Fragen von Christian Lohr. Zum einen sei in Prüfung, ob und wie das IFEG in ein Inklusionsrahmengesetz eingebettet und weiterentwickelt werden könne. Zum anderen verweist er bzgl. den Themen Arbeit und Ausbildung auf das überwiesene Po. Suter «Inklusive Arbeitswelt fördern» (24.4213). Der Bundesrat möchte mit Kantonen, Organisationen und Verbänden klären, wie die Durchlässigkeit zwischen ergänzenden und allgemeinen Arbeitsmarkt verbessert werden könne. In diesem Zusammenhang sollen auch Schnittstellen zur Berufsbildung beleuchtet werden.


25.3139 Po. Bulliard-Marbach «Nationale Strategie für Kinder und Jugendliche» – sowie gleichlautende Postulate Fivaz, Christ, Rosenwasser, Fehr Düsel

Mit den Postulaten wird die Entwicklung einer auf nationaler Ebene gut abgestimmten und eng koordinierten Strategie für Kinder und Jugendliche angestrebt, die auf den drei Säulen Schutz, Förderung und Mitwirkung basiert – und eine diesbezügliche Chancengleichheit für alle Kinder gewährleistet. Denn es haben sich in den letzten Jahren neue, übergreifende Herausforderungen gezeigt, beispielsweise die Digitalisierung oder die Vielfalt an Familienformen. Eine bessere Abstimmung und engere Koordination der aktuell fragmentierten und zuweilen ungleichen kantonalen Praxen sind notwendig. Das Begehren macht aus Sicht von ARTISET und YOUVITA durchaus Sinn: Dadurch können Effizienz und Effektivität der bestehenden Massnahmen erhöht werden, ohne dass die Kantone bei der konkreten Ausgestaltung in ihrem Spielraum eingeschränkt würden. Ein vom Bund ausgearbeiteter kohärenter Rahmen ermöglicht die zielführende Bündelung bestehender Massnahmen und die Schliessung von Lücken. Investitionen zugunsten von Kinder und Jugendlichen schaffen mittel- und langfristig einen Mehrwert für Wirtschaft und Gesellschaft.

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